Samstag, 2. Mai 2009
Matze

Matze und ich besuchten zusammen die Wirtschaftsschule. Wir waren total verschieden und dachten in andere Richtungen. Er war vegan, Straight Edge und ich probierte das Leben nach allen Möglichkeiten aus. Oft gerieten wir aneinander. Trotz seiner pubertären Art mochte ich ihn gern und er machte mich nachdenklich. Andersrum war es wohl genauso. Irgendwie, trotz oder gerade wegen unserer Differenzen, wuchsen wir zusammen. Trafen uns und redeten, trösteten uns über Verflossenes hinweg. Er inspirierte mich auf eine Art und Weise. Matze war immer gut informiert über alles und das bewunderte ich. Manchmal schickte er mir eine Musikkassette per Post. Ich liebte seine Umschläge, er war kreativ und beleidigend zugleich. Er war so, wie er war und ich schätze ihn für seine Direktheit.

Er lebte in einem Vorort, etwas ab von allem. Immer schwärmte er von Köln und dass er irgendwann dorthin ziehen wird. Im Unterricht schrieben wir uns kleine Zettelchen. Ich bewahre sie noch immer auf. Als das Jahr vorüber war, trennten sich unsere Wege unweigerlich. Wir telefonierten gelegentlich aber immer kam etwas dazwischen, wenn wir uns treffen wollten. Von Freunden wusste ich, dass er in einer Videothek arbeitete und nach mir fragte. Immer wollte ich ihn besuchen dort, habe es aber nie gemacht.

Nach 6 Jahren suchte ich seine alte Telefonnummer raus und rief an. Sein Bruder ging ans Telefon und erzählte mir, dass Matze nach Berlin gezogen sei. Er gab mir die Nummer. Also rief ich Matze in Berlin an. Er freute sich, ich freute mich, wir redeten über eine Stunde über Gott und die Welt. Er sei jetzt schwul, sagte er und Berlin sei toll. Er lebe dort mit seinem Freund zusammen und sei nicht mehr vegan, nur noch vegetarisch. Er arbeite für ein Musiklabel, sagte er. Ich fragte ihn nach Köln. Das sei ihm zu posh, sagte er. Ich solle ihn mal besuchen und wir sollten öfter telefonieren, es läge ihm sehr viel daran. In dieser Nacht träumte ich von ihm.

Der Kontakt riss ab, ich entdeckte ihn irgendwann im Web 2.0 und schrieb ihn an. Er antwortete kurz und knapp. So kurz und knapp, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Wahrscheinlich hat Berlin ihn verschluckt.