Dienstag, 21. April 2009
Ich ernähre mich vegan. Und vegane Ernährung und Kantinenscheißfraß passen überhaupt nicht zusammen, zumindest nicht in der meines Brötchenzahlers, die, wie er selbst betont, von einem Typ und seiner Frau gepachtet ist und nicht von meinem Brötchenzahler selbst betrieben wird.

Immer, wenn ich chaotisch genug war und im frühmorgentlichen Umnachtungszustand vergessen haben sollte, mich um meine Verpflegung zu kümmern und in der Mittagspause Hunger bekomme, bleibt mir leider nicht viel mehr übrig, als in der Scheißkantine irgendwas essbares zu suchen.

Der Typ, nennen wir ihn mal Herrn Grießgram und seine Frau, demnach Frau Grießgram, würden in der freien Wirtschaft ohne die Zwangskundschaft ganz schnell wieder die Forten schließen können. Aus einem einfachen Grund: mangelnde Kundenorientierung (Freundlichkeit mit eingeschlossen).

Ich sehe so gut wie immer über schlecht gelauntes Personal hinweg, jeder kann nen Scheißtag haben, ich nehms halt nicht persönlich. Aber bei Herrn und Frau Grießgram geht es nicht anders, denn sie meinen es persönlich.

Herr und Frau Grießgram lassen sicherlich lecker kochen und denken sich bestimmt auch immer wieder mehr oder weniger liebevoll ein Wochenprogramm für die Zwangskundschaft aus. Da sie aber scheinbar nur von den eigenen Ernährungsgewohnheiten geleitet werden, mangelt es an Vielfalt für Allergiker und Andersdenkende, und das täglich.

So kam es, dass ich Anfangs immer einen Salat genommen habe. Einen Salat ohne Dressing, weil die nur Dressing mit Joghurt anbieten. So habe ich also für eine scheißkleine Salat"schüssel", in der Größe eines Untersetzers für Kaffeetässchen immer EUR 2,80 bezahlt. Aber mal ehrlich, Salat ohne alles schmeckt schon irgendwie fad und pappig. Als ich dann bemerkt habe, dass sie auch Pommes mit Ketchup machen, wenn man danach verlangt und für den Teller nur EUR 1,70 nehmen, ist meine Notlösung also ein Teller voll Pommes mit einem Klecks Ketchup.

So kommt es vor, dass ich ein oder zweimal die Woche die Scheißkantine betreten muss und dort Pommes bestelle. Bereits nach meiner 2. Pommesbestellung hat sich Frau Grießgram anscheinend mein Gesicht eingeprägt. Da Herr und Frau Grießgram die Pommes immer frisch machen müssen, wenn man die haben will, bekommt man eine Wartenummer. Frau Grießgram greift schon immer automatisiert zu ihrem Wartezettelblock, wenn ich mich mit Tablett der Kasse nähere. Dann fragt sie "Pommes mit Ketchup?" und ich brauche nur noch nicken. Klingt ja toll und freundlich, aber das Gesicht, das sie dabei macht, ist unbeschreiblich einschläfernd. Irgendwann hatte ich dann auch die Ehre Herrn Grießgram kennenzulernen, nämlich an dem Tag, wo er die Pommes ausgerufen hat, nachdem sie fertig waren. Herr Grießgram wiegt geschätzt gute 200 kg. Als ich also Pommes Nr. 2 abholen kam, sah ich ihn. Verbittert und übel gelaunt. Wie ich feststellen musste, sind das fest integrierte Charakterzüge von ihm. Ich greife zum Teller und Herr Grießgram sagt, gerade so laut, dass es die ganze Kantine hören kann "Einmal Pommes mit Ketchup.... gut für die Figur". Klingt nach Ironie, dachte ich. Aber als ich ihn ansah, merkte ich, der meint das ernst, der will austeilen.

Pommes Nr. 3 kamen in der gleichen Woche. Hunger, nix anderes zu haben, also wieder "Pommes mit Ketchup?".. nicken, warten. Herr Grießgram schreit von hinten aus der Küche "Schon wieder nur Feinschmecker hier unterwegs... Man man man...." Ich gucke meine Kollegin an, die auch Pommes bestellt hat. Wir fassens irgendwie nicht, aber sagen nix.

Dann kamen noch ein paar Wochentage mit einigen Pommesbestellungen und immer ein Spruch. Heute war wieder ein Pommestag. Nachdem ich mich von Frau Grießgram wieder zur notorischen Junkfoodbestellerin habe outen lassen, kam der Moment, in dem ich die Pommes von Herrn Grießgram abholen musste. Herr Grießgram guckt niemanden an, wenn er seine Sprüche austeilt. Niemanden. Er haut sie raus, während er seinen Körper wegschlurfen lässt. Heute dann, ich hatte einen Scheißtag, gibt er mir also die Pommes und sagt "Sie ernähren sich ganz schön ungesund, wissen sie das?". Ich habe nicht gezählt, wieviele Sprüche ich tapfer geschluckt habe, wie oft ich nur "WTF" dachte, die unzähligen Momente, in denen ich mich rechtfertigen wollte. Dann ist es aus mir rausgeplatzt. Ich habe ihn angeschaut und ihm, während er seinen Körper wegschlurfen lassen wollte, gesagt, dass ich eine Scheißallergie gegen Scheiß tierische Eiweisse habe und dass er in seiner Scheißkantine nicht ein einziges Scheißessen anbietet, das ohne tierische Scheißinhaltsstoffe ist. Gerade so laut, dass es die ganze Kantine hören konnte.

Herr Grießgram ist stehengeblieben und hat überlegt. Dann hat er genickt und ich bin mit meinen Pommes weggegangen.

Ich musste lügen. Herr Grießgram ist nicht der Typ, der verstehen würde, dass es Menschen gibt, die irgendeine Art von "Lebensmitteln" boykottieren, weil ihnen irgendwas daran nicht passt.

Vielleicht, aber nur vielleicht, denkt Herr Grießgram jetzt auch über Gerichte für Allergiker nach, oder für Menschen, die nicht alles unreflektiert in sich reinstopfen wollen.