Donnerstag, 3. Juli 2008
Vernachlässigt wurden von mir in letzter Zeit einige Dinge: soziale Kontakte, dieser Blog, Twitter, E-Mails, Telefonanrufe. Noch schlimmer ist jedoch, dass ich mich selbst von mir vernachlässigt fühle.

In den letzten Wochen hat die Arbeit in meinem Kopf viel zu viel Platz eingenommen und ich fühle mich schwindelig dadurch. Auch weil ich das Gefühl habe, es wird einfach nicht besser. Deshalb habe ich gestern Urlaub beantragt. Wieder nur kleckerhafterweise 7 Arbeitstage. Ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal zwei Wochen oder mehr am Stück eine Auszeit nehmen konnte. Mittlerweile traue ich mich das nicht mehr. Schlimm genug, dass ich im Urlaub nahezu jeden Tag mit Anrufen belästigt werde, so dass ich keinen 100%igen Abstand gewinnen kann.

Und nun wieder stellt sich die Frage, ob sie mir den Urlaub genehmigen können, wer soll meine Vertretung machen, was könnte passieren und wie weit erstreckt sich mein Verantwortungsrahmen. Ernüchternd, aber niemand in der Firma weiss genau, was ich überhaupt für Aufgaben habe. Niemand weiss wirklich, wie groß das Pensum ist, dass ich täglich versuche zu bewältigen. Es interessiert auch niemanden, bis mir Fehler unterlaufen. Dann wird großartig nachgehakt und nachgeforscht warum es überhaupt soweit kommen konnte. Dass ich mittlerweile ausgelaugt bin, dauernde Schuldgefühle habe und mich überlastet fühle, war nur eine Frage der Zeit. Seit 6 Jahren bin ich in der Firma. Vor 2 Jahren wurde die Situation schlimm, aber seit 8 Monaten, seit dem also meine einzige mit mir zusammen arbeitende Kollegin und meine einzige Vertretung das Unternehmen verließ und natürlich nicht ersetzt wurde, mir ihr gesamter Aufgaben- und Verantwortungsbereich stillschweigend aufgedrückt wurde, wurde es unerträglich.

Beinahe täglich gebe ich Warnschüsse ab. Meine Pflicht, meinen nächsten Vorgesetzten über die Situation zu informieren, habe ich längst getan und ihn oft genug wiederholt. Es hat nichts geändert. Im Gegenteil, man nimmt an, die Situation wäre nur vorübergehend so belastend und es gäbe keinen Anlass eine von mir so ersehnte Halbtagskraft einzustellen. Ich dagegen habe hin- und her überlegt und sehe nirgends in naher Zukunft, nicht mal in ferner Zukunft, also nicht in absehbarer Zeit eine Besserung.

Ich bin es leid im Sinne des Unternehmens zu denken, wenn meine Warnungen, wie gefährlich es ist, dass niemand so recht weiss, was ich überhaupt tue, nie erhört werden. Es ist für das Unternehmen schädlich und für mich nun ebenso.

Den Schritt, mir selbst einzugestehen, dass es einfach zu viel ist, dass es nicht schaffbar ist, dass ich nur noch quantitative Arbeit statt qualitativer leisten kann, habe ich getan. Als nächstes folgen Konsequenzen. So oder so, es muss sich was ändern...




Mittwoch, 18. Juni 2008
... hatte ich. Angefangen mit früh aufstehen (für einen Samstag ist 7 Uhr unmenschlich), aber tatsächlich, es war so. Dann Abfahrt in die nächst größere Kackstadt.

Dort den ganzen Vormittag fiebernd bei einem Fußballturnier gejubelt und ein bißchen gekickt. Später dann kurzes Chillout. Danach auf ein Getränk in der "Stammbar" meiner Mitbewohnerin, ein Besuch in ihrem Büro (sehr schön dort!). Dann auf die Abendveranstaltung des Fußballturniers. Spießige Party hoch 3, kurz den Preis eingesammelt und eigentlich schon wieder fast auf dem Heimweg.

Dann aber erreichte uns die Mitteilung, dass tief in einer Grünanlage eine Goa-Party läuft. Zum Glück jemanden getroffen, der Ortskundig ist und uns zu Fuß hinlotste. Es wusste ja vorher niemand, dass wir gute 7 km Fußmarsch vor uns hatten. Autsch! Für einen Sesselpupser wie mich, sinid 7 km wirklich viel! Auf der Goa-Party ein wenig gechillt und nette Leute getroffen. Leider war es sehr kalt und nass und auch die Polizei fand die Party wohl nicht so toll. Deshalb wurde es dann sehr leise. Die Polizei ließ die Leute zwar weiterfeiern, aber eben um einiges leiser.

So haben wir dann beschlossen weiter zu ziehen. Die Nacht haben wir dann bei einem Bekannten verbracht und ich bin dort sitzenderweise auf dem Sofa eingeschlafen. Morgens um 7:30 Uhr sind wir dann mit dem Zug zurück gen Heimat gefahren.

Es war turbulent, bunt, anstrengend, lustig und hat jede Menge Spaß gemacht. Einzig die Beine und Füße schmerzten.

Es war wieder eins dieser Wochenenden, die mich an unsere Wochenenden vor gut 10 Jahren erinnerte.

Zeitreise also, quasi.




Dienstag, 10. Juni 2008
... dem Kleinen dabei helfen, in Englisch besser zu werden. Stattdessen werde ich in unschöne Familienunstimmigkeiten und Seelenabgründe hineingezogen.

Kinder sind ehrlich. Sie sagen wie sie die Welt sehen. Sie sagen auch, wenn Mama die Hand ausrutscht und sie sich nicht geliebt fühlen. Konflikt. Ich kann nicht weghören, wenn er anfängt zu erzählen von Hausarrest, Härte, Weglaufenwollen, Wut, Trotz und Erinnerungen.

Seine Mutter gibt mir jedoch von Mal zu Mal stärker zu verstehen, dass ich schließlich dafür bezahlt werde, ihm Nachhilfe in Englisch zu geben und sonst nichts. Am liebsten wäre es ihr, wir würden außer in Englisch, kein einziges Wort wechseln.

Schonmal versucht, einem Kind, dem irgendwas auf der Seele drückt, stur den Stoff einzutrichtern? Sie ja. Ich sehe, dass es keinen Sinn hat. Mit der Nachhilfe nehme ich, wenn auch nicht beabsichtigt, gleichenfalls eine pädagogische Rolle ein. Ihr wärs lieb, wenn ich ihn von einer 5 auf mindestens 2 trimme, dass die Stunde, die wir in der Woche haben, ausschließlich für Englisch genutzt wird, sonst bekomme ich diesen einen Blick und zynische Bemerkungen. Mir ist das egal, er ist ein Kind und keine Maschine. Wenns drückt, muss es raus. Ich höre gern zu.

Der Kleine hat Hausarrest... Nun schon verlängert auf ganze 4 Wochen, weil er unhöflich zu der Lehrerin war. Davor weil er statt zu lernen TV geschaut hat. Vergisst sie, dass er ein Kind ist? Wenn sie ihn schon dazu verdonnert, dass er zu Hause bleiben muss, einen ganzen Monat lang, dann braucht er wenigstens Beschäftigung und nicht eine Mutter, die genervt heim kommt, kein nettes Wort für ihn übrig hat und sich gleich hinter den PC klemmt und allenfalls mal rüberbrüllt, wenn es Zeit fürs Bett wird... Er bedauert das und ich bedauere es ebenso. Es tut weh, wenn er sagt: "sie will, dass ich lerne, aber sie lernt nie mit mir zusammen, sie fragt mich ja nichtmal Vokabeln ab." oder "Nie spielt sie mit mir."

Letztens habe ich versucht ihn zu beruhigen. Er hatte eine Woche Hausarrest und war wütend und traurig deshalb. Da sagte ich ihm: "das wird schon seinen Grund haben und schau mal, es ist doch nur eine Woche, weisst Du wieviele Wochen Du in deinem ganzen Leben noch hast?"
Er schaut nur ernst und sagt: "und wieviele davon bin ich noch ein Kind?"

Da kann ich nichts mehr sagen. Es geht einfach nicht. Er hat ja Recht. Ich weiss noch genau wie es war, als ich früher Hausarrest hatte. Ich muss sagen, dass war auch etwas, das bei mir zog. Bei ihm aber nicht, deshalb absolut unangemessen den Hausarrest immer und immer wieder zu verlängern. Da hat niemand was von.

Andererseits sitze ich zwischen den Stühlen. Ich weiss, ich muss diplomatisch sein. Mag mich nicht in Erziehungsmethoden einmischen, finde es jedoch deutlich zu hart. Und wenn er nichtmal in Ruhe drüber reden kann, ist es noch schlimmer. Letzte Woche hat sie gelauscht, hat er gesagt. Ich habe es gemerkt, an ihrem Verhalten.

Eigentlich fühle ich mich überfordert. Habe doch eher noch den Blick des Kindes als den Blick der Eltern. Kann mehr ihn verstehen als seine Mutter.

Wenn das aber noch lange so geht, dass er jede Woche enttäuscht am Tisch sitzt, manchmal so wütend, dass nichts mehr geht, muss ich doch was tun...

Rede ich mit ihr, bekommt er mit Sicherheit Ärger, was er denn da für einen Mist erzähle.

Rede ich nicht mit ihr, wird es ihm so schnell nicht besser gehen.

Die Mutter ist sehr unzugänglich und von der Sorte, die immer und überall heile Welt spielen muss, aber kaum zu Hause und allein mit ihm, ist er Luft. Ein Klotz am Bein.

Traurig... sehr traurig.